Leipziger Politikwissenschaftlerin warnt: „Radikalisierung von Jugendlichen darf nicht unterschätzt werden“

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Bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen hat die AfD besonders bei jungen Wählererhebliche Erfolge erzielt. Die Leipziger Politikwissenschaftlerin Charlotte Meier erklärt im Interview, wie die Partei soziale Medien geschickt genutzt hat, um die Enttäuschung und Wut junger Menschen gegenüber der Politik auszunutzen. Sie äußert sich zu den Ursachen und möglichen Konsequenzen dieser Entwicklung.

Warum hat die AfD bei jungen Wählergepunktet?

Laut Meier sind die Gründe vielfältig und komplex. Zwar hat die AfD bei den über 45-Jährigen die höchsten Wahlanteile, doch fällt auf, dass die Partei junge Menschen gezielt anspricht und ernst nimmt. Besonders auf Social Media habe die AfD es geschafft, effektiv politisches Engagement zu simulieren und sich als authentische Stimme für junge Wählerzu präsentieren.

„Die AfD nutzt Plattformen wie TikTok sehr erfolgreich, um politischen Inhalt zu verbreiten“, so Meier. Statt einfach virale Trends zu bedienen, postet die Partei gezielt politische Inhalte, wie Ausschnitte aus Reden oder Videos von Politikern im Wahlkampf. Im Gegensatz dazu wirken die Social-Media-Kampagnen anderer Parteien oft oberflächlich und distanziert.

Die populistische Rhetorik der AfD

Meier sieht in der populistischen Rhetorik der AfD einen wichtigen Grund für deren Erfolg. Die Partei greife die Enttäuschung und Wut vieler Wählergegenüber der aktuellen Politik auf und biete einfache, oft populistische Antworten. „Komplexe Probleme werden auf simple Phrasen reduziert, zum Beispiel ‚Messermänner‘, und mit vermeintlich einfachen Lösungen wie ‚Abschieben‘ beantwortet“, erklärt Meier.

Diese „Wir gegen die“-Logik der AfD, die das einfache Volk gegen eine vermeintlich korrupte Elite stellt, verfängt besonders in Regionen, die sich von der Politik vernachlässigt fühlen.

Wie sollten demokratische Parteien reagieren?

Meier betont, dass es eine Herausforderung für die demokratischen Parteien darstellt, mit der AfD umzugehen. „Die AfD wünscht sich, wie eine normale Partei behandelt zu werden, obwohl sie demokratische Werte ablehnt“, erklärt sie. Demokratische Parteien sollten vermeiden, die Themen und Narrative der AfD zu übernehmen, da dies die populistische Rhetorik normalisiere.

„Die demokratischen Parteien müssen auf vereinende Botschaften setzen und falsche Narrative direkt kontern“, so Meier. Antidemokratische Aussagen dürften nicht unkommentiert bleiben. Es sei wichtig, der AfD nicht mehr Raum zu geben, als sie bereits hat.

Gefahr einer Radikalisierung der Jugend

Die Erfolge der AfD bei den jungen Wählersind laut Meier besonders besorgniserregend. Allein in Thüringen haben 36 Prozent der unter 30-Jährigen die AfD gewählt. „Eine Radikalisierung von Jugendlichen darf nicht unterschätzt werden“, warnt sie.

Meier betont, dass Jugendliche ein starkes Bedürfnis nach Zugehörigkeit haben, und rechte Gruppen nutzen dies gezielt aus. „In rechten Kreisen wird aktiv daran gearbeitet, Jugendliche in neonazistische Strukturen einzubinden, etwa durch Kampfsportvereine wie ‚Active Clubs‘“, erklärt sie.

Die Gefahr, dass sich rechte Bewegungen weiter radikalisieren, sei real, wie jüngste Vorfälle in Deutschland zeigen. „Es ist alarmierend, wie rechte Netzwerke es schaffen, insbesondere junge Menschen für ihre Ideologie zu gewinnen“, so Meier.

Die Fragen stellte Susann Sika von der Medienredaktion der Uni Leipzig.

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